Ein Tag bei den Gehörlosen

Am 7. August stand einfach nur Vicky, ein 11 jähriges Mädchen aus der Gehörlosen Vereinigung, treffen auf dem Programm. Vicky habe ich im Januar kennengelernt. Sie hat mir damals selbst gebastelte kleine Figürchen geschenkt. Für manchen nichts Aufregendes, für Vicky war es ganz offensichtlich etwas Besonderes, dass sich ein Erwachsener das Gebastelte so genau ansieht. Nach der herzlichen Umarmung und einem gemeinsamen Selfie war die Freundschaft perfekt.

Als ich zuhause ankam, fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste, ob Vicky gehörlos ist. Da ich sowieso die Sprache nicht verstand, habe ich so sehr auf Gesichtsausdrücke, Gesten und Mimik geachtet, dass die Sprache offensichtlich so in den Hintergrund getreten ist.

Vickys Eltern sind schwerhörig. Um eine Arbeit zu bekommen mussten sie weit weg gehen. Vicky lebt bei der Großmutter.

Als wir uns im Mai bei der Übergabe des Kickers wieder sahen, haben wir uns sehr, sehr innig gedrückt und sie hat gesagt „I missed you so much“. Die Süße! Mir tat es dann leid, dass wir wieder so wenig Zeit mit einander hatten, kurz gekickert, wurde ich direkt ins Gespräch mit der Chefin Aliona Rusnac gebeten.

Also war gestern das erste Mal, dass wir mit Zeit und vielen Bastelmaterialien aufeinder trafen.

So empfingen uns Aliona und Vicky denn auch um 11 Uhr sehr aufgeregt: das Wiedersehen -auch von uns Erwachsenen- fiel sehr herzlich und emotional aus.

Wenn Menschen in Moldau die Gründung und jahrelangen Aufbau einer Hilfsorganisation geleistet haben, zeugt das von viel Liebe und Respekt für Menschen. Wenn man sieht unter welch schwierigen Bedingungen gearbeitet wird, vergisst man die eigenen Bedenken. Es sind charakterstarke, ausdauerde Menschen. Menschen, die kreativ nach Lösungen für Ihre Menschen suchen. Menschen, die sich gegen die weit verbreitete, sozialistische Erwartungshaltung „Der Staat regelt alles“ -um die benachteiligten Menschen kümmern.

Hilfsbereitschaft steigt nicht automatisch mit Armut.

Eine der größten Überraschungen ist für die Menschen, denen ich aus Moldau erzähle immer, dass sich die Menschen dort gegenseitig nicht mehr helfen.

In der Not hilft man doch zusammen.

Ich stelle gern die Gegenfrage:

Helfen wir, nach Jahrzehnten der Not tatsächlich mehr zusammen?!

Wer ist „wir“!?!

„Wir“ nach dem die Arbeitssuchende Schicht der Menschen mittleren Alters abwandert und die Gesellschaften zerfallen.

Da sind wir dann beim Thema Fluchtursachenbekäpfung. Für mich stehen zwei Dinge fest

Der Mensch möchte in seiner Heimat bleiben.

Wenn er in seiner Heimat keine Familie mit Zukunftschancen gründen kann, zieht er dorthin wo er es kann. Natürliches, zukunftsorientiertes Verhalten.

Wenn wir den Menschen helfen wollen, braucht es Hilfe, die den Menschen ein Leben zuhause überhaupt ermöglicht und bis dahin auch gern praktische Maßnahmen, die den Alltag erleichtern.

Deswegen wird alles Geld, das durch unsere Spenden eingespart wird in Projektarbeit investiert.

Die Freude über die Bastelmaterialien war riesig: sie waren beide fassungslos wieviel und welche Materialien wir gebracht haben. Wir haben in alle Techniken eingewiesen und die Kinder haben dann direkt losgelegt.

Die Bedenken bezüglich Sprache hat meine Tochter an dem Tag auch abgelegt. Es ging sehr gut. Vorallem wenn man aufhört übersetzen zu wollen und einfach zusammen spielt, lacht und bastelt.

Mit Aliona habe ich viel Zeit für Gespräche gehabt. Sie ist fassungslos, dass ich den weiten Weg mit dem Auto und dem Hänger fahre. Ihr Mann lässt sie nicht Auto fahren. Eine Auto fahrende Frau ist eine Ausnahme in Moldau.

Das Highlight für alle war dann Alionas Einladung zum städtischen Dauerjahrmarkt. In Balti stehen die einzigen Karussells und ein paar Fahrgeschäfte. -und es war für Vicky das erste Mal, dass sie dort war und Karussell gefahren ist.

Nächste Woche bringen wir noch den Schachtisch zu den Gehörlosen und gehen eventuell mit Vicky schwimmen. Das war sie auch noch nie…

Programm für die nächsten beiden Tage: Verejeni

Heute wird es anstrengend: wir begleiten bei angekündigten 31 Grad eine Frau bei der Essensverteilung. Ich nehme das Angebot sie zu begleiten sehr gerne an: ich möchte sehen, was die Damen brauchen können, manches wird aus Höflichkeit nicht angefragt, manches kann nicht übersetzt werden und auf manche Lösung kommen sie mangels Produktangebot nicht. Ich bin sehr aufgeregt, so direkt mit den Einheimischen in Kontakt treten zu können. Am Nachmittag laden wir den Hänger ab und starten damit das Aquarium aufzubauen, das uns Tetra dafür extra zur Verfügung gestellt hat. Am Freitag sind wir dann auf eine Geburtstagsfeier eingeladen, eine besondere Ehre in Moldau und wir sind sehr gespannt, was noch so alles passiert. Wir würden uns sehr freuen Gregory wiederzusehen…

Schöne Grüße in die Heimat, Ursel

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